Angedacht
Liebe Leserinnen und Leser,
Warum glauben wir? Brauchen wir die evangelische Kirche noch?
„Wider die Mutlosigkeit“
Auszüge mit Ergänzungen einer Predigt von Pfarrer. Dr. Friedrich Ley Oldenburg
„Man kann doch auch ohne Kirche glauben „
Diesen Satz haben die meisten von uns schon unzählige Male gehört.
Kirchensteuer, Mitgliederschwund, mangelnde Attraktivität kirchlicher Angebote, da widersprechen?
Ich zum Beispiel. Denn Glauben ist ein Beziehungsgeschehen in das man hinein-wächst. Und dazu muss es eine Struktur geben, die die Kirche schafft. Ohne Kommunikation kann keiner zum Glauben kommen. Daraus folgt: Man kann auch ohne Kirche glauben – solange es die Kirche gibt.
Aber die Kirche ist ja vielmehr als unsere Kirche in den Dörfern. Diakonie, Kindergärten, Hospiz, Krankenhäuser und auch Altenheime werden unter kirchlicher Leitung oder von christlichen Gemeinschaften geführt.
Im Propsteiverband Braunschweiger Land sind beispielsweise alle Verrechnungsstellen und Kindergärten der Propstei Braunschweig, Goslar, Königslutter, Velpke und Helmstedt zusammengefasst und über 1000 Mitarbeiter kümmern sich um Kirchengemeinden und in der Mehrzahl um die Kindergärten.
Was passiert, wenn all diese Einrichtungen, die auch mit unseren Kirchensteuereinnahmen finanziert werden, nicht mehr durch die Kirchen getragen werden?
Wir erleben im Augenblick eine große Verdrossenheit in unserer Gesellschaft. Jede Institution wird hinterfragt, aber auch angefeindet und programmatisch destabilisiert. All die gemeinnützigen Institutionen tragen aber unsere Gesellschaft und auch der soziale Friede wird maßgeblich durch die vielfältigen Hilfeleistungen gewährleistet.
So darf zum Beispiel jemand, der den Rechtsstaat verachtet ihn dennoch für sich beanspruchen. Wer selbst keiner Gewerkschaft angehört, profitiert von Tarifabschlüssen. Wer Polizei, Feuerwehr, Rettungsdienste im Einsatz behindert oder bepöbelt, wird, wenn er selbst in Not ist, den Dienst der Helfer für sich beanspruchen dürfen. Es scheint paradox, aber so ist es. Die Distanzierung von fundamentalen Gegebenheiten ist möglich, solange ihr Bestand vorausgesetzt werden kann. Was wäre, wenn es diese Institutionen nicht mehr gäbe?
Es besteht wenig Grund die Dinge schönzureden. Ebenso wenig aber haben wir Grund, uns einem unabwendbaren Schicksal zu ergeben. Sei es in Sachen Friedenspolitik, Wirtschaft oder Zusammenhang von Gesellschaft und Kirche. Ich bin überzeugt, dass unser Glaube etwas zu sagen hat und dass es Aussicht hat, für ihn einzustehen. Denn Glaube findet nicht nur im privaten Kämmerlein statt, sondern wirkt sich auch auf die Gesellschaft aus in der man lebt.
Martin Luther hat gesagt:“ Glaube ist eine lebendige, verwegene Zuversicht auf Gottes Gnade“ und weiter: „ Der Glaube ist nimmermehr stärker und herrlicher, denn wenn die Trübsal und Anfechtung am größten sind.“ Das Evangelium trägt und die Zusage gilt.
Umso mehr sollten wir auf das Machbare blicken, auf das was wir selbst als Mitglieder der Kirche zu den Problemen unserer Zeit zu sagen haben. Denn wir sind Kirche. Es gibt die Kirche nicht als reine Institution über uns oder neben uns. Wir verkörpern sie höchst selbst. Wenn wir von „der“ Kirche, reden wir von uns. Wir mögen uns kritisch abgrenzen von der Kirche, weil wir zu Recht an verschiedenen Punkten anderer Meinung sind als die organisierte Gestalt von Kirche uns begegnet. Selbstdistanzierung ist einfach. Zu einfach. Es ist wichtig, im Dialog zu bleiben und sich hörbar zu artikulieren.
Die vornehmste und eigentliche Aufgabe der Kirche ist die Kommunikation des Evangeliums. Und diese können wir nicht nur durch Worte, sondern auch durch konkretes Handeln zeigen, wie es die zahlreichen Hilfsdienste und viele von uns immer wieder tun.
In diesem Sinne: Wider die Mutlosigkeit!
Zusammengetragen von Hubertus Budde (1. Vorsitzender St. Petrus am Heeseberg)